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Zivilgesellschaft als Hoffnungsträgerin

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Dieser Artikel ist Teil der Reihe Worum es geht: Hier wird der Ansatz hergeleitet, die Initiativen der Nachhaltigkeitsbewegung vor Ort zu vernetzen.

Die Rolle der Zivilgesellschaft als Hoffnungsträgerin leitet sich aus dem Versagen der Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft ab, Lösungen für die rasant voranschreitenden Krisen zu finden und entsprechende Maßnahmen umzusetzen.

Um einen maßgeblichen Beitrag zu einem sozial-ökologischen Wandel leisten zu können, ist es entscheidend, dass sich die vielfältigen zivilgesellschaftlichen Akteure, die sich für eine nachhaltige und gerechte Zukunft einsetzen, miteinander vernetzen und als Nachhaltigkeitsbewegung gemeinsam handeln.

Soziale Bewegungen wie Fridays for Future bilden eine starke Stimme der Zivilgesellschaft

Begriff

In Abgrenzung zum staatlichen, wirtschaftlichen und privaten Sektor umfasst die Zivilgesellschaft (auch Bürger*innengesellschaft) die Gesamtheit des Engagements der Bürger*innen eines Landes – zum Beispiel in Vereinen, Verbänden und vielfältigen Formen von Initiativen und sozialen Bewegungen. Sie bildet den Rahmen, innerhalb dessen sich bürgerschaftliches Engagement entfalten kann. Dabei geht es um die Schaffung bzw. Erbringung gemeinwohlorientierter Güter und Leistungen, wie um die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung durch die Beteiligung an Debatten, Protesten und anderen öffentlichkeitswirksamen Aktionen.[1]

Ausgangssituation

Siehe Multiple Krisenhaftigkeit

“Hoch ungenügend” ist das Urteil internationaler Klimaforscher*innen zur Klimapolitik der deutschen Bundesregierung.

Allein bei der Klimakrise steuert die Menschheit aktuell nicht wie vereinbart[2] auf 1,5 Grad, sondern auf 4°C Erderwärmung zu.[3] Trotz dieser Aussicht auf katastrophale Folgen[4] steigen die jährlichen Treibhausgasemissionen weiter und eine Abkehr vom fossilen Kapitalismus scheint in weiter Ferne. Auch mit Hinblick auf weitere, hiermit zusammenhängende Krisen (wie das Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten, die Gefährdung der Meere oder die zunehmende soziale Ungleichheit) sind die bisherigen Erfolge bei der Bekämpfung überschaubar.

Möglichkeiten

Der Zivilgesellschaft kommt eine herausragende Rolle zu, den notwendigen sozial-ökologischen Wandel voranzutreiben. Die Möglichkeiten gehen hierbei weit über sogenannten "nachhaltigen Konsum" hinaus, bei dem Verbraucher*innen durch bewusste Kaufentscheidungen versuchen, Einfluss auf die Produktion zu nehmen. Da die Ursachen für die Ausbeutung von Mensch und Natur strukturell verankert sind, reicht solch eine Veränderung individueller Kaufentscheidungen nicht für eine Transformation aus.

Vielmehr nehmen Akteure der Zivilgesellschaft vielfältige Möglichkeiten wahr, sich außerparlamentarisch für eine nachhaltige und gerechte Zukunft einzusetzen. Dies umfasst unter anderem:

  • Druck auf Entscheidungsträger*innen auszuüben,
  • Öffentliche Diskurse zu beeinflussen,
  • Wichtige Bildungsarbeit zu leisten oder
  • Selbst Alternativen zum herrschenden System zu praktizieren (z. B. Solawis, Wohnprojekte, Sharing-Communities u. v. m.).

Grad der Organisation

Die Akteure, die diese Arbeit leisten, lassen sich je nach Grad der Institutionalisierung in die organisierte und die nicht-organisierte Zivilgesellschaft unterscheiden.

Organisierte Zivilgesellschaft

Verbände, NGO's und Gewerkschaften sind zusätzlich zu ihren bundesweiten Strukturen häufig auch vor Ort vertreten. In den letzten Jahrzehnten haben sich diese kollektiven Akteure einen erheblichen Einfluss auf die Politik und die öffentliche Meinung erarbeitet. In einer pluralen Demokratie sind sie die klassischen Vertreter*innen ökologischer bzw. sozialer Interessen. Deligierte von Umweltverbänden sitzen häufig mit am Verhandlungstisch oder beeinflussen den Verlauf als Aktivist*innen von außen; Gewerkschaften können durch Streiks massiv Druck ausüben und Tarifverhandlungen mitbestimmen; NGO's starten öffentlichkeitswirksamen Kampagnen, geben wissenschaftliche Studien in Auftrag und betreiben Lobby-Arbeit.

Ähnlich wie Parteien werden die festen Strukturen der organisierten Zivilgesellschaft inzwischen jedoch von vielen nicht mehr als zeitgemäß angesehen. Obwohl diese selbst aus sozialen Bewegungen (der Arbeiter*innenbewegung bzw. der Anti-Atomkraft, Umwelt- und Friedensbewegung) hervorgingen, sind vor allem die Gewerkschaften inzwischen zentral, bürokratisch und hierarchisch organisiert. Aber auch die klassischen Umweltverbände verlieren aufgrund ihrer unflexiblen Organisations- und Entscheidungsstrukturen an Bindungskraft. Viele vor allem junge Menschen möchten sich nicht jahrelang in einer Organisation verpflichten, sondern flexibel und projektbezogen an verschiedenen Initiativen mitwirken.

Nicht-organisierte Zivilgesellschaft

Sich zivilgesellschaftlich für einen sozial-ökologischen Wandel einzusetzen (z. B. durch Aktivismus, Bildungsarbeit, Praktizierung von Alternativen usw.), setzt keine verbandlichen Strukturen voraus. Immer mehr Menschen engagieren sich in informellen Initiativen, die häufig auf der lokalen und regionalen Ebene aktiv werden. Hierzu zählen unter anderem die Transition-Town-Bewegung, Vereine, Bürger*inneninitiativen, die Seebrücke, Bürgerenergie, Ernährungsinitiativen (Foodsharing, Urban Gardening, Food-Coops), aber auch die For-Future-Bewegung oder Extinction Rebellion.

Gegenüber den kollektiven Akteuren der organisierten Zivilgesellschaft haben diese informellen Initiativen den Vorteil, dass sie sich den Bedürfnissen der Mitwirkenden unmittelbar anpassen können und flexibles, bürokratie-armes Engagement ermöglichen. Da die Initiativen zudem nicht denselben einschränkenden Handlungslogiken unterworfen sind wie große Verbände (z. B. der finanzielle Zwang, zahlende Mitglieder zu gewinnen und zu halten), können sie freier agieren, jedoch mit geringerer Reichweite.

Schwächen

Siehe Schwächen der Nachhaltigkeitsbewegung

Sowohl die kollektiven Akteure der organisierten als auch die Initiativen der nicht-organisierten Zivilgesellschaft stellen sich als nicht wirkmächtig genug heraus, die Transformation maßgeblich voranzutreiben. Grund dafür sind unter anderem die Missstände, dass die Akteure weitgehend isoliert voneinander handeln und sich auf einzelne Themen verschärfen, anstatt Schnittstellen zu anderen Akteuren zu erkennen und diese gemeinsam zu adressieren.

Weiterführendes Material

Einzelnachweise

  1. Dieser Abschnitt besteht aus Zitaten, die dem Wikipedia-Artikel Zivilgesellschaft entnommen sind.
  2. Wikipedia: Übereinkommen von Paris
  3. Die ZEIT: Die Sintflut kommt (Tobias Haberkorn, 04.11.2018)
  4. klimafakten.de: Eine Welt mit 4 °C Erwärmung – wie sähe sie aus? (April 2014)